Zum internationalen Tag gegen Homophobie & Transphobie

Jerusalem Pride in mitten der Sozialproteste im Sommer 2011. Foto: Marc Berthold
Jerusalem Pride in mitten der Sozialproteste im Sommer 2011. Foto: CC-BY-SA Marc Berthold

Israel gilt als das fortschrittlichste Land für Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans- und Intersexuelle (LGBTI) im Nahen Osten; Tel Aviv als das Berlin der Levante. Eine Vielzahl von Lesben- und Schwulenorganisationen arbeiten innerhalb der Szene, machen Aufklärung in Schulen, arbeiten mit Eltern und engagieren sich im Gesundheitsbereich. In Jerusalem arbeitet das Open House mit Ultra-Orthodoxen. In Tel Aviv unterhält die Stadtverwaltung das Lesben- und Schwulenzentrum und organisiert den Gay Pride. CSDs gibt es darüber hinaus von Haifa im Norden bis nach Eilat im Süden. Es gibt einen offen schwulen Knesset-Abgeordneten, der nun sogar Bürgermeister in Tel Aviv werden will. Ausländische Lebenspartner/innen von israelischen Lesben und Schwulen erhalten eine Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis. Heiraten dürfen sie nicht, da es in Israel keine Zivilehe gibt. Auch Heterosexuelle können nur religiös heiraten. Allerdings werden im Ausland geschlossene Ehen für alle anerkannt.

Auch palästinensische LGBTIs haben sich in den letzten Jahren organisiert. Al Qaws tritt für sexuelle Rechte und Selbstbestimmung in Israel und Palästina ein. Sie haben Gruppen in Jerusalem, Jaffa, Haifa und Ramallah, bieten eine Telefon-Hotline an, und arbeiten mit Künstlern sowie Menschenrechtsorganisationen zusammen, um in der eigenen Gesellschaft für Akzeptanz zu werben. Ein Mal im Monat veranstaltet Al Qaws eine Party in Jaffa, an der hunderte palästinensische Lesben, Schwule und Trans* aus dem ganz Land zusammen kommen. In Haifa gibt es zudem die Lesben-Organisation Aswat.

Doch längst ist nicht alles rosa im Staate Israel. Lediglich Tel Aviv kann als wirklich offen und tolerant bezeichnet werden. In den meisten anderen Städten und auf dem Land ist die Situation für LGBTIs deutlich schwieriger. Je religiöser desto härter der Alltag. Israel’s Rechte für Lesben und Schwule wurden durch die Gerichte erkämpft. Auf dem parlamentarischen Weg gibt es bislang keine Chance. Nicht mal die Zivilehe für Heterosexuelle ist absehbar.

Anhörung zu LGBTI-Rechten in der Knesset, Mai 2012.
Anhörung zu LGBTI-Rechten in der Knesset, Mai 2012. Foto: CC-BY-SA Marc Berthold

Und der israelisch-palästinensische Konflikt macht auch vor dieser Szene natürlich keinen Halt. Die israelische Regierung hat Tel Aviv’s Offenheit als Image-Politur erkannt, um sich von der arabischen Welt abzusetzen. Weltweit führt sie Werbekampagnen durch, beteiligt sich an Gay Prides und unterstützt israelische Schwulen-Parties. Viele LGBTI-Organisationen nutzen die Gelegenheit, um vor allem in den USA Spendengelder zu sammeln. Vor allem von palästinensischer Seite hagelt es Kritik. Die Regierung und die NGOs betrieben „Pink Washing“, um von der Besatzung abzulenken. Einige Politiker/innen befürworteten LGBTI-Rechte, während sie andere Menschenrechte ignorierten oder gar verletzten, so der Aktivist Aeyal Gross.

Die beiden palästinensischen NGOs setzen weniger dezidiert auf LGBTI-Rechte als auf generelle, sexuelle Rechte und Selbstbestimmung. Im Kontext des andauernden Konflikts und von Diskriminierung der arabischen Bevölkerung Israels setzen sie sich gleichzeitig für allgemeine Bürger- und Menschenrechte für Palästinenser/innen und für ein Ende der Besatzung ein. Bislang sehen sie sich als Teil der internationalen BDS- und Anti-Normalisierungskampagnen.

Zaghaft scheint auf beiden Seiten der LGBTI-Szenen jedoch etwas in Bewegung zu geraten. Seit dem Höhepunkt der „Pink Washing“-Debatte im vergangenen Jahr, als ein internationaler LGBTI-Jugendgipfel verhindert werden sollte, diskutieren einige lesbischen und schwule Aktivist/innen, wie diese Polarisierung überkommen werden, und wie eine Zusammenarbeit mit palästinensischen Gruppen auf Augenhöhe stattfinden kann. Die Lesben-Gruppe Aswat spricht in einem offenen Brief von Interesse an Dialog und Kooperation, fordert jedoch die Anerkennung ihrer palästinensischen Identität ein.

Bedauerlich ist es da, dass die amerikanische Botschaft zu einem Empfang anlässlich des internationalen Tages gegen Homophobie und Transphobie, laut Aswat, eine palästinensische Rednerin abgelehnt haben soll und, so die Gruppe, bei Projekten für arabische LGBTIs in Israel nicht mit palästinensischen Gruppen zusammenarbeitet. Auch das Israel-Büro der Heinrich-Böll-Stiftung ist in der Vergangenheit zwischen die Fronten dieser Polarisierung geraten. Auch wir konnten Projekte mit palästinensischen Gruppen nicht, wie gewünscht, durchführen, da wir uns nicht der Strategien von BDS und Anti-Normalisierung verschreiben wollten. Dennoch erkennen wir die Komplexität und Ungleichheit der Situation an und sehen den Bedarf, insbesondere mit arabisch-israelischen LGBTIs zu kooperieren.

Internationale Einrichtungen, seien es Botschaften oder Stiftungen, sollten als Foren für Dialog und Annäherung zur Verfügung stehen. Wir sollten keine Türen blockieren, die sich langsam öffnen.


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