Farkha – das erste Öko-Dorf Palästinas

Ein Beitrag von Yara Almunaizel und Bettina Marx

Die Einwohner des Dorfes Farkha im nördlichen Westjordanland sind sich nicht einig, was der Name ihres Dorfes bedeutet. Denn das Wort „Farkha“ kann man sowohl mit Henne als auch mit Speerspitze übersetzen. Beide Bedeutungen sagen etwas über die rund 1600 Einwohner des kleinen Ortes aus. Einerseits versuchen sie – wie eine Henne – im Einklang mit der Natur zu leben und scharren im kargen Boden nach Essbarem. Andererseits wollen sie eine Speerspitze der ökologischen Bewegung in Palästina sein. Nach und nach wandeln sie ihr Dorf darum in ein Ökodorf um. Eine umweltgerechte Landwirtschaft ohne künstlichen Dünger, sparsame Nutzung der ohnehin mageren Ressourcen, Recyceln und Kompostieren von Abfällen, Aufbereitung von Nutzwasser – das sind die Pläne, mit denen sie ihr Dorf umbauen, ihre Ausgaben reduzieren und ihre Erträge steigern wollen.

Farkha liegt in der Nähe der Kleinstadt Salfit, etwa 30km nördlich von Ramallah, auf einem Hügel voller Olivenbäume. Die Mauern des Dorfes sind mit Graffiti geschmückt, darunter das berühmte Konterfei des argentinischen Revolutionärs Che Guevara. Es zeugt von der in der Region verbreiteten linken politischen Haltung.

Im Dorf gibt es zwei Schulen, zwei Kindergärten, eine Frauengemeinschaft und eine große Moschee mit einer zitronengelben Kuppel die von fast überall im Dorf zu sehen ist. Die Ruinen der alten bescheidenen Bauernhäuser am Rande des Dorfes geben einen Einblick in das Leben vor einhundert Jahren. Damals lebten die Familien zusammen mit den Nutztieren in einem Haus. Der Stall befand sich unter dem Schlafzimmer von Eltern und Kindern. Siekonnten so von der Wärme profitieren, die Schafe und Ziegen ausstrahlten. Die spärlichen Besitztümer wurden auf gemauerten Regalen gestapelt. Wer Geld hatte, ließ sich aus dem wohlhabenden Küstenort Jaffa ein Holzfenster oder einen hölzernen Kleiderschrank kommen. Heute sind die alten Häuser fast verfallen, aber die Dorfgemeinschaft plant, sie wiederherzustellen und Besuchern als eine Art Freiluftmuseum zugänglich zu machen.

Unterstützung erhalten die Dorfbewohner von zahlreichen Freiwilligen, die einmal im Jahr kommen, um bei der Aufbau- und Restaurierungsarbeit zu helfen. Seit 23 Jahren veranstaltet Farkha ein Freiwilligenfestival, zu dem jährlich rund 500 Besucher aus dem Westjordanland, aus Israel und dem Ausland kommen. Die engagierten Helfer – viele von ihnen kommen jedes Jahr wieder – legen überall mit Hand an, wo es nötig ist. Sie streichen die Klassenzimmer der Schule, sie bessern die Straßen aus und pflanzen Bäume. Und sie kochen und feiern mit den Dorfbewohnern.

40% der Bewohner von Farkha arbeiten und leben von der Landwirtschaft. Sie stellen vor allem organisches Olivenöl her, das im Dorf gepresst wird.
Saad Dagher ist Agrarwissenschaftler, der das Dorf seit Jahren auf seinem Weg zum Ökodorf unterstützt. Zusammen mit der Arabischen Gemeinschaft für Agrarwissenschaften und unterstützt durch die Heinrich-Böll-Stiftung hat er eine Studie über die soziale und ökonomische Situation von Farkha erstellt, auf deren Grundlage der Wandel vorangetrieben werden soll. Dabei hat er drei Hauptprobleme identifiziert, mit denen die Dorfbewohner konfrontiert sind: Wassermangel, die veralteten Sickergruben und die Wildschweine, die in dieser Gegend frei umherlaufen und  die Ernte zerstören. Im Islam gelten die Tiere als unrein und dürfen nicht gejagt und verzehrt werden. Da sie unter Naturschutz stehen, dürfen sie auch nicht durch Gift oder Fallen getötet werden.

Hamad Bakr, der Bürgermeister von Farkha, hat freundlich funkelnde grüne Augen und ist optimistisch, dass das Dorf eine Lösung für das Wildschweinproblem finden wird. Er selbst ist überzeugter Vegetarier, eine Seltenheit in Palästina, und setzt daher auch im Umgang mit den Wildschweinen auf Gewaltlosigkeit. Seine Mitbürger unterstützt Bakr mit Elan und Tatkraft. Farkha soll ein ökologisches Schatzkästchen im Westjordanland werden, ein Vorbild für andere Dörfer, die auf umweltfreundliche Landwirtschaft setzen wollen. Schon haben sich Interessenten aus dem Gazastreifen gemeldet, die Ideen und Innovationen für ihre eigenen Projekte übernehmen wollen. In der unter Wasserarmut und beschränktem Zugang zu Ressourcen leidenden Gegend könnte der Umstieg auf ökologische Landwirtschaft den Menschen helfen, zu überleben.

 


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