Schwarze Limousinen, rote Teppiche – Mahmoud Abbas‘ Besuch in Beirut

Präsident Mahmoud Abbas besucht Beirut (c) Andrey Dolmov
Präsident Mahmoud Abbas besucht Beirut (c) Andrey Dolmov

„Schwarze Limousinen mit abgedunkelten Scheiben – so viele von denen habe ich noch nicht einmal gesehen, als der libanesische Präsident und einige Minister Tyros besucht haben,“ erzählt meine Kollgin. „Am Märtyrer-Platz war ein riesiger Auflauf, ein ausgerollter roter Teppich. Ich habe mich dumm gestellt und den Soldaten neben mir gefragt: Ist jemand zu Besuch? Aus welchem Land? Er hat, Spott in der Stimme, gesagt: Palästina.“

Auch, dass die Straßen ostentativ mit palästinensishcen Flaggen geschmückt gewesen seien, habe sie noch nie erlebt. „Es ist undenkbar, dass die libanesische Regierung einen Schritt auf die im Land lebenden Palästinenser zu macht. Insofern nimmt mich wunder, mit welchen Ehren Mahmoud Abbas hier empfangen wird.“

Dass ein palästinensischer Präsident den Libanon besucht, ist nicht alltäglich. Sechs Mal ist dies bislang vorgekommen. „So ein Besuch ist immer ein Zeichen dafür, dass es Probleme gibt und es Sicherheitsfragen zu klären gibt,“ erklärt meine Kollegin. Derzeit sind es die regionalen Konflikte, die auch unter verschiedenen Gruppen im Libanon zu starken Spannungen führen. Hamas und Hisbollah, lange Jahre ein Herz und eine Seele in ihrer Regionalsicht und dem Kampf gegen Israel, gehen dieser Tage getrennte Wege. Während Hamas-Anführer Khaled Meshaal Damaskus nach wenigen Monaten der Revolution Syrien den Rücken gekehrt, und sich gegen Assad und dessen Regierung positioniert hat, hält Hisbollah-Generalsekretär Nasrallah Assads Regime unverbrüchlich die Treue.

Damaskus hat stets versucht, neben der offiziellen Außenpolitik mit anderen Regierungen Seitenkanäle mit militanten Nichtregierungsorganisationen zu etablieren – mit der Hisbollah, mit der PKK, mit irakischen Oppositionsgruppen zu Saddam Hussein und zu den Nachkriegsregierungen. Als Reaktion auf den israelisch-arabischen Friedensprozess hatte Damaskus die „Allianz palästinensischer Kräfte“ respektive die „Damaskus-10“ etabliert, eine Gruppe, die nicht nur den Staat Israel, sondern auch die gewählte palästinensische Regierung ablehnte. Spätestens seit dem 2012 Regierungstruppen das palästinensische Lagers Yarmouk in Damaskus bombardiert haben, beteiligen sich viele Palästinenser – unter anderem auch Hamas – am Aufstand gegen das syrische Regime.

Aber was hat das mit Libanon zu tun? „Es passiert immer wieder, dass ungute Entwicklungen Palästinensern in die Schuhe geschoben werden,“ erklärt meine Kollegin. „Guck dir die Ereignisse vom 23. und 24. Juni in Saida an.“ In Saida, vierzig Minuten südliche von Beirut gelegen, hatte der salafistische Sheikh Assir schon lange in jeder Hinsicht provoziert. Er hatte seit dem letzten Jahr mit Sit-Ins den Verkehr in und um Saida lahm gelegt, um die Entwaffnung der Hisbollah zu erwirken. Er hatte auch zum Jihad in Syrien aufgerufen. Am Sonntag, 23. Juni, eröffneten Assir-Anhänger das Feuer auf einen Armeecheckpoint. In den darauffolgenden Auseinandersetzungen kamen über 20 Armeangehörige ums Leben, und weitere 100 wurden verletzt. Der Zwischenfall erschütterte viele im Libanon. Zivilgesellschaftliche Akteure, die zuvor die Soldaten wegen ihrer „unmännlichen“ Haltung verspottet hatten, zeigten sich betroffen über die herben Verluste die ein einzelner Salafist mit einer vergleichsweise beschränkten Anhängerschaft der Armee zufügen konnte. Im christlichen Teil Beiruts sind bis heute Kondolenz-Transparente quer über die Straße gespannt.

In Saida befindet sich mit Ain al-Heloue das größte Palästinenserlager des Libanon, von dem es heißt, dass salafistische syrische Gruppen hier Ableger haben. Die libanesischen Autoritäten und insbesondere die Armee haben keine Hoheit über die Lager und dürfen diese nicht betreten. Obwohl es sich bei Sheikh Assir um einen libanesischen Salafisten handelt, waren über Dreiviertel der nach den Auseinandersetzungen in den Straßen Saidas Verhafteten Palästinenser. Einer von ihnen tauchte wenige Stunden später zu Tode gefoltert wieder auf. Ein Youtube-Video zeigte auch, wie im gleichen Zusammenhang libanesische Soldaten auf offener Straße einen Syrer misshandelten. Angeblich, so die Armee, geht sie diesen Vorfällen auf den Grund und wird die Zuständigen bestrafen. Klar ist jedoch, dass die Schuld am Erstarken des Salafismus primär externen Kräften zugewiesen wird.

Hamas-Chef Meshaal rief daraufhin Parlamentssprecher Nabih Berri an und versucht, mit der Hisbollah wieder in Kontakt zu treten, um die Wogen zu glätten. In die gleiche Richtung geht Abbas‘ Besuch. Es ist ein Vorstoß um zu verhindern, dass sich libanesisch-palästinensische Konflikte hochschaukeln. Abbas betonte bei seinem Besuch, dass die Palästinenser eine neutrale Haltung zu den arabischen Revolutionen einnähmen. Er selbst könne nur PLO-nahe Palästinenser beeinflussen aber es müsse klar sein: „Wir sind zeitweilige Gäste, die sich dem Gesetz unterordnen, nicht darüberstehen.“


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