Land ist in Beirut ein rares Gut. Viele einst städtische Flächen sind privatisiert, andere in schleichenden Prozessen von Konsortien oder mächtigen Individuen vereinnahmt worden. Auch manch private Grundstücksgrenze ist vor den Nachbarn nicht sicher. Lama, mit der wir heute unterwegs sind, erzählt: „Als meine Cousine nach dem Krieg wiedergekommen ist, hat sie immer gesagt: ‚Komisch, ich hatte den Eingangsbereich unseres Grundstücks viel größer in Erinnerung.’ Dann hat sie gemerkt, dass die Bäume, die sie damals gepflanzt hatten, im Garten ihres Nachbarn stehen. Er hat einfach die Mauer versetzt. Oder mein Onkel. Neulich hat ihn jemand angerufen, er solle unbedingt zu seinem Grundstück kommen. Da war gerade jemand dabei, dort etwas zu bauen. Wenn sich auf deinem Grundstück erstmal jemand breit macht, zahlst du dich dumm und dämlich, nur um es wiederzubekommen.“
Die Bewohner der Stadt sind jedoch immer weniger bereit, hinzunehmen, wenn wieder ein Stück des knappen öffentlichen Raumes Baumaßnahmen zum Opfer fällt. Im Beiruter Stadtteil Ashrafiye wird gerade gegen ein Bauvorhaben protestiert, das den Bezirk Rmeil seinen einzigen Park kosten würde. Einge prächtige uralte Bäume müssten dafür weichen, ein Spielplatz, eine Bibliothek und die Überreste einer byzantinischen Kirche.
Warum? „Weil die Müllwagen nicht mehr durchpassen,“ erklärt ein Sprecher der Stadtverwaltung. Die Leute parkten auf beiden Straßenseiten, so dass die großen Müllwagen nicht mehr durchkämen. Daher würden alle in dieser Gegend doppelt Müllabfuhr zahlen, weil man nur die kleinen Laster einsetzen könne.
Die Idee, einfach ein Parkverbot für eine Straßenseite zu erlassen haben die Stadtväter verworfen, weil die Leute dann nicht mehr wüssten, wo sie parken sollen. Zugegeben, in dieser Stadt ohne öffentlichen Nahverkehr überlegt man sich dreimal, ob man einen Parkplatz freiwillig aufgibt oder doch lieber Taxi fährt. Aber es ist schon eine etwas eigene Logik, lieber einen ganzen Park einzuebnen, als die Müllabholung anders zu organisieren.
Aber ums Einebnen geht es laut Stadtverwaltung auch nicht. Der Park solle lediglich abgetragen und nach dem Bau einer unterirdischen Garage über dieser wieder aufgebaut werden, natürlich noch viel schöner. Wie ein Vertreter der Stadtverwaltung es in der Tageszeitung L’Orient le Jour ausdrückt: „Die Mosaiken und Säulen der byzantinischen Kirche … werden danach wieder am selben Ort stehen – aber auf eine moderne Art und Weise.“ Ich kann mir das illustriert vorstellen. Im Stadtzentrum gibt es schon ein paar Ruinen, die aussehen wie aufgeräumte Kunst, oder als ob der historischen Größe mit Beton nachgeholfen worden wäre.
Die Anwohner des Parks in Ashrafiye schenken den offiziellen Beteuerungen wenig Glauben. In der Bibliothek liegt eine Petition aus, die bereits von rund 800 Leuten unterschrieben worden ist – für Beiruter Verhältnisse, in denen solche Initiativen nicht an der Tagesordnung sind, erklecklich. Von vielen Balkonen rund um den Park weht eine grüne Flagge mit durchgestrichenem P. Das ist das Wappen der Parkplatzgegner.