Worte des Bedauerns für die vielen Toten in Syrien findet der syrische Präsident schon lange nicht mehr. So wenig das syrische Regime das Leben seiner Bürger schützt, so wenig Respekt zollt es ihnen auch im Tod. Während seit gestern weltweit Schweigeminuten für die Hunderte von Opfern eines Chemiewaffenangriffs in Damaskus‘ Vororten abgehalten werden, gibt es von offizieller Seite nur Statements, die den Sachverhalt an sich oder zumindest die Verantwortung dafür von sich weisen. Kondoliert wird nicht, und auch keine Trauer geflaggt, auch wenn es wohl kaum schwerer zu ertragende Bilder gibt, als die schier endlosen Reihen der Leichen kleiner Kinder.
Die Menschen in Zamalka, Douma, Moadamiye, Jobar, Erbin und mehreren anderen Orten wurden gestern in den frühen Morgenstunden von heftigen Angriffen überrascht. Von über 1200 Toten spricht die Opposition. Gezählt sind bislang nur die Toten in den Krankenhäusern. Aktivisten vor Ort vermuten, dass viele noch in ihren Häusern liegen – über der Dringlichkeit, den vielleicht noch zu rettenden zu helfen, ist man bislang nicht dazu gekommen, viele der Häuser überhaupt zu betreten.Viele der Orte gelten als Hochburgen des Widerstands gegen die Regierung und waren seit langem umkämpft. Daher gab es in den meisten Krankenhäusern auch schon lange keine Ausstattung mehr, um überhaupt helfen zu können.
Die offizielle syrische Nachrichtenagentur spricht von „Gerüchten“, dass Chemiewaffen eingesetzt worden seien und zitiert Moskau, das hinter den, ein „Ablenkungsmanöver“ für die soeben eingetroffenen UN-Inspektoren, die den vorherigen Gebrauch von chemischen Kampfstoffen untersuchen sollen. Es mag absurd wirken, dass das syrische Regime ausgerechnet wenige Tage nachdem die Untersuchungskommission das Land betreten hat, in ihrer Nähe einen Giftgasangriff startet.
Allerdings war schon beim Besuch der UN-Beobachter 2012 klar, dass die Regierung ihre Angriffe ungerührt fortsetzte. Die jetzige Mission ist das Ergebnis monatelangen zähen Verhandelns, denn obwohl Damaskus die Beobachter zunächst angefordert hatte, weigerte es sich dann, sie einreisen zu lassen und will auch jetzt noch bestimmen, welche Orte sich Ake Sellström und sein Team ansehen können. Wenngleich zwischen Stadtzentrum und den betreffenden Vororten nur wenige Kilometer liegen – eine Entfernung wie zwischen dem Reichstag und Steglitz oder Pankow – kann es sehr gut sein, dass die Inspektoren sich nur mit den kleineren Vorfällen im März, nicht aber mit dem größten und akuten befassen dürfen.
Dass es das syrische Regime bestreitet, Chemiewaffen eingesetzt zu haben, hält Assad-Loyalisten nicht davon ab, das zu konterkarieren: im Damaszener Viertel Jisr al-Rais stellten feiernde Shabiha – Milizen des Regimes – Lautsprecher auf und fuhren johlend in Autos durch die Stadt.
Im Stadtteil Mezzeh verteilten pro-Regime-Kräfte Süßigkeiten, und zahlreiche staatliche Milizen bejubelten auf ihren Facebook-Seiten, dass das Regime „endlich“ den Einsatz von Chemiewaffen angeordnet habe, um die Region zu „säubern“.
Das Massaker und der Umgang damit ist, wie der syrische Künstler Anwar al-Eissa es in seiner Version des Symbols für chemische Waffen darstellt, der „Sargnagel der Menschlichkeit“.