Von Rissen und Sprüngen

Vieles ist in Bewegung dieser Tage: Irans Präsident Hassan Rouhani twitterte, die internationale Gemeinschaft solle „alles in ihrer Macht stehende“ tun, um weltweit und insbesondere in Syrien den Einsatz von Chemiewaffen zu verhindern. Der iranische Expräsident Akbar Hashemi Rafsanjani wies am heutigen Sonntag der syrischen Regierung die Schuld an dem Angriff zu: „Die Menschen wurden Ziel eines Chemiewaffenangriffs ihrer eigenen Regierung und müssen sich nun auf einen Angriff von außen einstellen,“ sagte er. Die halbstaatliche iranische Nachrichtenagentur stellte wenig später eine neutralisierte Fassung dessen ins Netz.

Auch zwischen Moskau und Damaskus scheint nicht alles eitel Sonnenschein. Russland hat erklärt, einstweilen von der eigentlich angekündigten Lieferung eines elaborierten Luftabwehrsystems abzusehen und beruft sich dabei auf ausstehende Zahlungen aus Damaskus.

Die berühmten Plakatemaler aus Kafranbel zeichnen, was sie sich von Obama bezüglich Bashar al-Assads erhoffen
Die berühmten Plakatemaler aus Kafranbel zeichnen, was sie sich von Obama bezüglich Bashar al-Assads erhoffen (c): Kafranbel Coordination Committee 2013

Während das syrische Regime zunächst so tat, als habe sich in Ghouta nichts besonderes abgespielt, sprach Russland von Anfang an von einem Einsatz von Chemiewaffen, den es allerdings den Rebellen anlastete. Eine so geringe Koordination zwischen der Politik der russischen und der syrischen Regierung erweckt den Eindruck, als knirsche es vielleicht auch im Bündnis dieser beiden.

Diesen Rissen steht eine sprunghaft wirkende Politik der erklärten Gegner des Assad-Regimes gegenüber. In den ersten Tagen nach dem Chemiewaffenangriff drängten die USA und Großbritannien mit einer Eile auf einen Militärschlag, dass es schien, als wollten sie die Untersuchungsergebnisse der UN-Inspektoren gar nicht erst abwarten. Kaum hatten diese Syrien jedoch verlassen, drehte sich der Wind. Der britische Premierminister David Cameron erreichte im Parlament keine Mehrheit für einen Militärschlag. US-Präsident Obama sagte, er wolle nun doch den Kongress darüber entscheiden lassen. Und dieser tritt nicht vor dem 9. September zusammen. Wenig später bekundete Außenminister Kerry, den USA lägen neue Beweise für den Einsatz von Sarin vor, und ein Militäreinsatz könne eventuell doch vor dem 9. September statfinden. Diese Volten sind nicht gut nachzuvollziehen. Es wirkt hemdsärmlig, sich erst weit aus dem Fenster zu lehnen und dann einen Rückzieher zu machen.

Was von außen, negativ gesehen, wie politische Ungeschicklichkeit oder, positiv gesehen, wie ein späteres Besinnen auf demokratische Legitimation wirken mag, hat in der Region massive Auswirkungen: Gegner und Befürworter eines Luftschlages sind in ihrer Angst vor den Angriffen und den damit verbundenen Unwägbarkeiten geeint. Eine massive Fluchtwelle aus Syrien in den Libanon verfielfachte über Nacht die Flüchtlingszahlen. Der Flughafen Beirut war überfüllt von denjenigen, die wiederum den Libanon aufgrund der hier zu erwartenden Auswirkungen verließen. Das syrische Regime beeilte sich, Militärbasen und potentielle Angriffsziele zu räumen, verteilte seine Soldaten in Wohnviertel und zivile Einrichtungen, während es – so viele Berichte – gleichzeitig weitere Gefangene an die Militärflughäfen verbrachte. Eine kurze Atempause von Luftangriffen entstand; syrische Oppositionelle schöpften Hoffnung. Sobald sich abzeichnete, dass akut nichts geschen würde, ging das Regime wieder zu unverminderten Angriffen über. Der syrische Sender al-Douniya verkündete lautstark, zwei amerikanische Kriegsschiffe und drei britische Kampffugzeuge seien aus Angst vor den syrischen Streitkräften desertiert.

Foto: ad-Dunya TV Syrien
Foto: ad-Dunya TV Syrien

Unter syrischen Oppositionellen dämpfte die Ankündigung die Hoffnungen auf Hilfe von außen. Viele gehen davon aus, dass aufgeschoben in diesem Fall aufgehoben bedeutet, und dass sich ihre Befürchtung, das syrische Regime werde letztlich mit allem davonkommen, bewarheitet.

Doch auch über die Bedenken was die Folgen einer Intervention – und die einer Nicht-Intervention – bedeuten, ist im Libanon die Stimmung gedrückt. In den letzten Wochen haben mehrere Anschläge das Land erschüttert. Anders als bei vorherigen Anschlägen, die jeweils konkret einer Person galten, waren bei den vergangenen Anschlägen möglichst hohe Opferzahlen augenscheinlich das Ziel – einer in einem vorwiegend schiitischen Stadtteil Beiruts, zwei vor sunnitischen Moscheen in Tripoli. Bei letzteren hat man Drahtzieher festgesetzt – und eine Spur, die augenscheinlich zum syrischen Regime führt. 


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