Frieren statt Frieden – Der Nahe Osten versinkt im Schneechaos

Stiftungsleiter im Nahen Osten – bei dem Beruf denkt man gemeinhin zwar an allerlei Krisen, ansonsten aber wohl eher an viel Sonne, fernab vom grauen Berlin. Aber zumindest wer nach Ramallah oder Jerusalem geht, sollte daran denken zukünftig eine Kältezulage zu beantragen: Ab Dezember kann es äußerst ungemütlich werden, insbesondere da die meisten Häuser unzureichend isoliert und nur selten mit funktionierenden Heizungen ausgestattet sind.

Zwar ist Schnee ist im Winter keineswegs selten, die Bilder der Jerusalemer Altstadt und vom Felsendom im Schnee sind berühmt (Zum Beispiel hier mit weiteren sehenswerten Bildern u.a. aus dem verschneiten Kairo und mit einem Bild von mir aus Ramallah) . Ramallah liegt immerhin auf 900 Meter Höhe, Jerusalem auf 750. Aber die 50cm Schnee, die in den letzten Tagen gefallen sind, und gerade vor meinem Fenster noch weiter anwachsen, sind schon grotesk.

Zwar ist es für viele Menschen in der Region großartig, mal im Schnee zu tollen und Schneemänner zu bauen; allerdings droht der Spaß schnell zum Ernstfall zu werden, denn auf solche Schneemassen ist man hier nicht vorbereitet. Nur wenige Straßen werden geräumt und Stromausfälle sind eher die Regel als die Ausnahme. So blieb Ramallah zuletzt weitgehend dunkel und still, selbst der fünf mal am Tag erschallende (und elektronisch verstärkte) Gebetsruf blieb größtenteils aus. Dazu kommen, wie eigentlich immer, politische Probleme: Palästina ist von israelischer Stromversorgung abhängig, die Versorgung der Westbank hat aber keine Priorität, bzw. palästinensische Einsatzteams werden am Zungang für Reparaturen gehindert.

Während also US Secretary of State John Kerry zum x-ten Male in die Region reiste um ein eventuelles US-Friedensproposal mit beiden Seiten zu eruieren, hat die Region aktuell ganz andere Probleme. In Tel Aviv wütet ein Sturm, Ramallah versinkt im Schnee. Frieren statt Frieden. Noch viel schlimmer aber ist die Lage besonders dort, wo Menschen unter sowieso schon katastrophalen Bedingungen leben: Im belagerten Gazastreifen oder in den Lagern für syrische Flüchtlinge  in Jordanien und im Libanon. Die Kälte für die Menschen dort, die durch den Krieg alles verloren haben und zum großen Teil in Zelten oder Containern leben, so wie im Flüchtlingslager Al-Zaatari, ist unvorstellbar und lebensgefährlich.

Im Gazastreifen war die Lage auch vor der Kältewelle bereits menschenunwürdig. Aufgrund der von Israel, und jüngst auch von Ägypten verhängten fast vollständigen Blockade des Gazastreifen fehlt es an vielen Gütern und insbesondere an Treibstoff, mit dem Elektrizität produziert wird. Viele Menschen im Gazastreifen haben seit Tagen fast gar keinen Strom mehr, so wie mein Freund Majid, der in den letzten 36 Stunden gerade mal 3 Stunden Strom hatte.  Durch das Unwetter sind viele Straßen überflutet, die Menschen frieren, ihre Häuser sind beschädigt, Tausende mussten evakuiert werden. Israel hat nun zumindest am Übergang Kerem Shalom den Zugang für die wichtigsten Versorgungsgüter gelockert.

Derzeit zeigt die Natur ihre volle Machtfülle. Politische Themen sind zweitrangig. Zumindest solange, bis der Schnee geschmolzen ist – was vor allem all jenen zu wünschen ist, die viel mehr leiden unter der Kälte als der eingeschneite Leiter der HBS in Ramallah.


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