Gastbeitrag: Über Mauern

Ein Gastbeitrag von Lukas Matzkows

Lukas ist für drei Monate Praktikant im Heinrich-Böll-Büro in Ramallah. Als junger Berliner hat er die Mauer zwar nicht mehr erlebt. Aber hier vor Ort wird er an diese Geschichte erinnert. Ist der Kontext ein anderer? Natürlich ist er das. Aber die gewaltige Betonmauer ist omnipräsent und schränkt die Rechte von Millionen Palästinenserinnen und Palästinensern ein. Lukas hat sich intensiv mit den  Konsequenzen der Mauer auseinandergesetzt und eine spannende Masterarbeit zum Thema „Space Invaders ® – The theoretical notion of Space and Graffiti on the West Bank Wall“ geschrieben.

Gestern, am 9. November, jährte sich zum 25. Mal der Fall der Berliner Mauer und in Berlin wird dem freudigen historischen Ereignis vielfältig gedacht. Während in Berlin gerade der bewegende Moment des Mauerfalls gefeiert wurde, gedachte man in Palästina 2014 dem zehnjährigen „Jubiläum“ des Urteils des internationalen Strafgerichtshof, das den Bau der „Separation Barrier“, die Israel und die Westbank trennen soll, aber weit in palästinensischem Territorium verläuft, als illegal nach internationalem Recht bezeichnete. Aber die Mauer steht noch immer. In Palästina haben Aktivisten das Datum des 9. November daher zum Anlass genommen, sie symbolisch zu durchbrechen. Die Aktivisten, Mitglieder der „local popular resistance committees“ in Palästina, die versuchen einen friedlichen Widerstand gegen die Besatzung organisieren, schlugen ein Loch in die Mauer und veröffentlichten dazu das folgende Statement: „No matter how high walls are built, they will fall. Just as the Berlin Wall fell, the wall in Palestine will fall, along with the occupation.“

ryanrodrickbeiler.com - 2.7.2013

 

 

 

 

 

 

 

Als Berliner, der nach dem Fall der Mauer, die Deutschland so lange teilte, aufwuchs und sie im Prinzip nur als eine Art Museum und ein Objekt der Vergangenheit kennt, wirkt die Mauer hier jedes Mal wieder fast surreal. Palästinensische Aktivistinnen und Aktivisten protestieren wöchentlich gegen die Auswirkungen der Mauer und die teils grotesken Trennungendie sie vornimmt – nicht zwischen Israelis und Palästinensern, um Sicherheit zu gewährleisten, sondern zwischen Palästinensern und Palästinensern. Künstler setzen sich auf kreative Weise mit der absurden Situation auseinander, so wie Khalid Jarrar, der Objekte aus der Mauer formte oder einen Film drehte über ein Tennismath über die Mauer hinweg:

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Seit 2002 nun schlängelt sich die von manchen „Security Fence“ und von anderen „Apartheid Wall“ genannte Mauer, die vier Mal so lang ist wie die Berliner Mauer, durch die Leben von tausenden von Palästinensern. In stark besiedelten Gebieten wie Bethlehem ragen die Betonblöcke bis zu acht Meter in die Höhe und werfen lange Schatten auf die Häuser zu beiden Seiten. An vielen Stellen ist die Mauer, wie in Berlin, großflächig mit Graffiti bedeckt und wirkt so fast wie eine Art East Side Gallery im Nahen Osten.

Sollte die Barriere ursprünglich entlang der sogenannten Grünen Linie von 1967 verlaufen, sehen die Fakten deutlich anders aus. 85 Prozent der Mauer verlaufen innerhalb der Westbank und annektieren de facto 9,5 Prozent des Gebietes, das für die Bildung eines Palästinsischen Staates vorgesehen ist. Dies resultiert darin, das sich rund 30.000 Palästinenser auf der ‚falschen‘ Seite der Mauer befinden und nur mit besonderen Genehmigungen in ihren Häusern leben dürfen. Hinzu kommen die rund 200.000 Bewohner Ost-Jerusalems, die zwar ein Aufenthaltsrecht in Israel, jedoch keine Staatsbügerschaft mit einhergehenden Rechten besitzen.

mauerDie Israelische Regierung begründete die Errichtung der Mauer mit der Notwendigkeit für die Sicherheit des Staates Israel; da sie aber einerseits palästinensisches Land enteignet und eingemeindet, und andererseits sich tausende Siedler jenseits der Mauer in den wachsenden Siedlungen befinden, macht dies kaum noch Sinn. Auch ihre temporäre Natur ist angesichts der ungeheuren wirtschaftlichen Kosten zu bezweifeln. Seit Baubeginn hat die Mauer den israelischen Steuerzahler bereits über 2,6 Billionen Dollar gekostet, jedes Jahr kommen weitere 260 Millionen Dollar für Ausbau und Instandhaltung hinzu.

Die Mauer in Berlin teilte eine Stadt für 28 Jahre. Es bleibt zu hoffen, dass die Palästinenser keine weiteren 16 Jahre warten müssen bis ihr „Traum in Erfüllung geht“ (Angela Merkel anlässlich des 25. Jahrestages des Mauerfalls in Berlin) und Menschen auf beiden Seiten in Frieden und Freiheit leben können.


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