Ein Gastbeitrag von Sylvia Mayr, Praktikantin im hbs-Büro Ramallah
Plötzlich leuchtet das weiße Telefon an der Wand auf und klingelt: “Hallo, hier spricht Dani. Ich rufe Sie im Namen der Israelischen Verteidigungsstreitkräfte an. Ihr Haus wird in Kürze bombardiert. Evakuieren Sie das Gebäude! Sie haben fünf Minuten!“
Mit solchen Installationen wird man beim Besuch im Museum des Walled Off Hotel in Bethlehem zum Denken angeregt. Das Hotel wurde vom bekannten britischen Graffiti-Künstler Banksy konzipiert und zum Anlass des 100-jährigen Jubiläums der Balfour-Deklaration eröffnet. Er wolle sich damit “als Brite von den Entscheidungen eines Landmanns distanzieren“ und bewussten Tourismus im Heiligen Land fördern, so der Künstler.
Gleich am Eingang des Museums wird man von einer Figur eben dieses britischen Außenminister Arthur Balfour begrüßt, der an seinem Schreibtisch sitzend im Jahr 1917 das historische Dokument unterschreibt, das die Einrichtung einer „nationalen Heimstätte“ des jüdischen Volkes in Palästina befürwortete. Damit wurde die Basis für einen Konflikt gelegt, der bis heute noch keiner Lösung nahe ist. Ein Hindernis für den Friedensprozess ist die israelische Sperranlage, die sich teils als Zaun, teils als Betonmauer über 708 km erstreckt. Sie trennt jedoch nicht nur Palästinenser von Israelis, sondern durchschneidet auch an vielen Stellen palästinensisches Gebiet, trennt palästinensische Bauern von ihren Feldern und Wasserquellen und umschließt die Siedlungen, die wie israelische Enklaven Palästina durchlöchern. Von Israel als „unabdingbare Sicherheitsmaßnahme zum Schutz vor dem Terrorismus“ angesehen, von Palästinensern dagegen als „Werkzeug zur Förderung der Apartheid zwischen Israelis und Palästinensern“ beschrieben, bringt die Mauer viele Einschränkungen mit sich und nährt das Misstrauen zwischen den beiden Völkern.
Genau diese acht Meter hohe Beton-Barriere stellt für Hotelgäste die Hauptattraktion dar: beinahe jedes Zimmer ist auf die Mauer ausgerichtet, wodurch sich das Hotel bereits den Ruf erworben hat, über die „schlechteste Aussicht der Welt“ zu verfügen. Das Ganze soll natürlich nicht ästhetisch sein, sondern auf kreative Weise die Methoden der Besatzungsmacht in Frage stellen. Vom Concierge-Affen am Eingang, ein immer wiederkehrendes Motiv im Werk des Künstlers, über die Engel mit Sauerstoffmasken die von der Decke baumeln bis hin zum Jesus-Porträt, dessen Stirn vom Laserpunkt eines Scharfschützengewehrs geschmückt ist, hat jedes Kunstwerk in der Lobby eine Bedeutung. An den Wänden hängen als Dekor Überwachungskameras und Steinschleudern und sorgen für eine etwas zwielichtige Atmosphäre.
Was dem Hotel trotz allem Flair verleiht ist Banksys unverkennbarer Touch und die Liebe zum Detail. Nichts ist dem Zufall überlassen: Zu den Zimmern gelangt man durch eine versteckte Tür, die sich nur öffnet, wenn man seine Magnetkarte vor den Busen einer Statuette der Venus von Milo hält, der Aufzug ist „außer Betrieb“, weil selbst er zugemauert wurde und das „Spuk-Klavier“ gibt ganz von selbst Stücke von bekannten Komponisten wieder. Auch die Zimmer wurden von Bansky und den Künstlern Sami Musa and Dominique Petrin gestaltet. So schmückt beispielsweise das Graffiti einer Kissenschlacht zwischen einem Palästinenser und einem israelischen Soldaten die Wand über dem Doppelbett einer Suite, während der einzige Schlafsaal des Hotels (der sich auch für weniger betuchte Gästeeignet) mit originellen Möbeln und Stockbetten aus einer Militärbarracke ausgestattet ist.
Zusätzlich zur Mauer, zur exzentrischen und kolonialen Einrichtung, zum Museum und zu einer Galerie für palästinensische Kunst gibt es gleich nebenan den „Wall Mart“ Shop, wo man Spraydosen und Schablonenmotive erwerben kann, um sich selbst als Mauerkünstler zu versuchen.
Es ist nicht weiter verwunderlich, dass die Meinungen über diese besondere Herberge vollkommen widersprüchlich sind. Während manche die Idee als innovativ ansehen und die simple aber doch eindrucksvolle Portraitierung des Konfliktes als erfrischend und wirksam für durchschnittliche Touristen beschreiben, klagen andere über die vereinfachte und nicht seriöse Darstellung der dramatischen regionalen Situation. Dass es auf der Webseite des Hotels heißt, Israelis seien auch herzlich willkommen, wird von den meisten Palästinensern nicht gutgeheißen und trägt zur Kritik bei.
Immer noch verwirrt oder nicht ganz überzeugt? Seht es euch am besten selbst an! (Aber Beeilung, das Hotel ist voraussichtlich nur bis zum Ende des Balfour-Jubiläumsjahres 2017 geöffnet!)