Zugang zu Wasser – eine Glückssache

Foto (c) hbs Ramallah

Von Zeinah Kamel

Wasser bedeckt drei Viertel der Erd-Oberfläche. Es ist das wichtigste Element des Lebens. Ohne Wasser – kein Leben. Manche Menschen haben immer sauberes Wasser, manche haben schmutziges Wasser, und manche haben gar keine sichere Wasserversorgung. So wie die Palästinenser: sie versuchen immer, sich Wasser zu besorgen.

Wenn man Palästina von oben anschaut, dann sieht man sehr viel Wasser. Aber wenn man näher heranzoomt, dann sieht man nichts als Wasser-Behälter auf den Dächern der Häuser. Darin wird das Wasser gespeichert, das Palästinenser verbrauchen. Fließendes Wasser aus der Leitung, wann immer man es braucht – das gibt es nicht.

Plastik-Wasserbehälter in Ramallah, Foto (c) hbs Ramallah

Das Wasser in Palästina ist knapp. Warum? Weil Israel das Wasser kontrolliert. 1967 besetzte Israel im Zuge des Sechs-Tage-Krieges die syrischen Golanhöhen und das Westjordanland. Dort liegen die wichtigsten Quellen und Zuflüsse des Jordans, die sich in den See Genezareth ergießen. Israel zapft so viel Wasser aus dem See ab wie es braucht. Rund drei Viertel des Jordanwassers fließen so aus dem See Genezareth in israelische Haushalte und auf israelische Felder. Das Quellwasser des Jordans geht daher zu 87 Prozent an Israelis und nur zu 13 Prozent an Palästinenser. Die Palästinenser haben keinen direkten Zugang zum Wasser des Jordan. Israel entnimmt aber auch Wasser aus den sogenannten Aquifern, den Grundwasseradern, die sich an der Küste und unter dem Westjordanland entlang ziehen. Die Palästinenser beziehen ihr Wasser von der israelischen Wassergesellschaft Mekorot, die es wiederum aus den Vorräten unter dem Westjordanland pumpt. Aber es ist teuer und nie genug. Und vor allem: es wird nur sporadisch geliefert.

Wenn es – ein-, zwei- oder dreimal die Woche – durch die Leitungen gepumpt wird, müssen die Palästinenser es in den großen Wasserbehältern auf ihren Dächern auffangen und speichern – um den Rest der Woche versorgt zu sein.  Manche haben einen Wasserbehälter für 500 oder 1000 Liter auf dem Dach, manche haben zwei Wasserbehälter und manche haben 3 oder mehr.

Große Familien benötigen viele Wasserbehälter, Foto (c) hbs Ramallah

Es hängt von dem Gebrauch der Familie ab. Ist der Behälter leer, muss man warten, bis wieder Wasser geliefert wird. In der Zwischenzeit kann man nicht kochen, nicht duschen und nicht waschen.

Die Frage, wann die Palästinenser Wasser bekommen, ist wie ein schwieriges Rätsel, das niemand lösen kann. Und es ist ein Thema, über das man in Palästina immer sprechen kann, wie in anderen Ländern über das Wetter. Man kann eigentlich nicht Palästinenser sein, wenn man nicht mindestens dreihundert Mal in seinem Leben gefragt hat: „Gibt es heute Wasser? “ „Haben wir noch Wasser in dem Behälter?“, „Wann sind wir dran?“

Die Wasserversorgung hängt davon ab, wie viele Siedlungen in der Nähe sind und wieviel Wasser die Siedler brauchen. In Bethlehem zum Beispiel, bekommen die Einwohner nur an drei oder vier Tagen in jeder dritten Woche Wasser. In Ramallah gibt es manchmal an 3 Tagen in der Woche Wasser – manchmal nur an einem Tag. Im Winter, wenn es regnet, gibt es mehr Wasser, aber niemand weiß, wann es gepumpt wird. Ein guter Tipp, um zu wissen ob es Wasser gibt oder nicht, ist, nach frisch gewaschener Wäsche Ausschau zu halten. Wenn überall in Palästina saubere Wäsche auf den Leinen hängt, dann weiß man, dass es gerade Wasser gibt.

Für Ausländer, die die besetzten Gebiete besuchen, ist es manchmal schwierig, zu erkennen, wo israelische Siedler leben und wo Palästinenser.  Die Wasserbehälter auf den Dächern sind ein sicheres Zeichen, dies unterscheiden zu können. Wo große Plastikbehälter auf den Dächern stehen, da leben Palästinenser. Wo nur die kleinen Metallbehälter für das aus den Sonnenkollektoren aufbereitete Warmwasser stehen, da leben Israelis.


Foto (c) privat

Zeinah Kamel aus Jifna im Westjordanland ist Schülerpraktikantin bei der hbs Ramallah. Im September wird sie ihr Studium in Deutschland aufnehmen.

 


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