In manchen Stadtteilen von Beirut kann man kaum einen Schritt gehen, ohne von einer Galerie in die nächste zu stolpern. Kunst und Design sind aus dem Alltag nicht wegzudenken. Umso augenfälliger, dass bei Wahlen offensichtlich die Kreativität aufhört. Die Plakate, teils so groß, dass sie ganze Hausfassaden bedecken, wirken, als hätten sich die KandidatInnen eine Selbstbeschränkung auferlegt, keine zu vorteilhaften Bilder zu verwenden und sich als einzige Dekorationselemente wahlweise die ganze Flagge oder nur die Zeder zu leisten. Gleichermaßen gesichtslos die Slogans, die einen Wettbewerb des Beliebigen verheißen – „Deine Stimme für den Norden“ – oder „Für einen starken Libanon“.
Obwohl der Frauenanteil bei den diesjährigen Parlamentswahlen mit 15% höher denn je war, dominierten, je näher die Wahlen rückten, umso mehr die Portraits von Männern gesetzteren Alters das Stadtbild. Auf Twitter gab es diesbezüglich vereinzelte Fotos, auf denen die Hochhäuser gänzlich von Anzügen und sich lichtenden grauen Haaren bedeckt erschienen -mit der wehmütigen Bildunterschrift: „Wir vermissen Marie France“, ein Verweis auf die oft sehr freizügige Werbung einer der marktführenden Firmen im Dessous-Bereich, die sonst auf den Plakatwänden zu sehen war.
Seit kurzem werden die die alten Herren wieder durch sich räkelnde Unterwäschemodels verdrängt – als kleine Dreingabe prangt ein goldenes Herz auf den Plakaten, das den Twitter-Kommentaren Rechnung trägt „We are back“ steht da – „Wir sind zurück.“ Das sind die Jahreszeiten des Libanons. Aus feministischer Sicht zweifelhaft, aber als Fakt unübersehbar: Der im Frühjahr zelebrierte Herbst vieler libanesischer Patriarchen wird jetzt durch den Sommer der Unterwäsche- und Bademoden abgelöst.