Im Gazastreifen fallen die Bomben, über tausend Tote und kein Ende in Sicht. Wie soll man da Urlaub in Deutschland machen? Umso mehr, wenn man dort zahlreiche Freunde und Bekannte hat, und auch Kolleginnen und Kollegen durch die Arbeit der Stiftung. Eigentlich hätte es ein entspannter WM-Sommer werden sollen – für mich und die Fußballverrückten in Palästina und der Region (und dann noch mit so einem grandiosen Ausgang). Und eine Entspannung von den ewigen Frustrationen und Spannungen des Lebens in den besetzten Gebieten. Aber es kam anders, denn nicht nur in den Halbzeitpausen wurde man an die schreckliche Realität erinnert. Omnipräsent waren die Bilder aus dem Gazastreifen, wo die Menschen völlig schutzlos den Angriffen ausgeliefert waren, und omnipräsent war die Sorge um die Freunde dort. Vor allem in den sozialen Medien ein unaufhörlicher Strom von grauenhaften Bildern der Opfern – für mich eben keine anonymen, sondern die engen Freunde und Familien meiner Bekannten. Mittlerweile ist die Schwelle von 1000 Todesopfern überschritten, die meisten Zivilisten, viele Kinder und Frauen. Und warum in aller Welt versagt die Diplomatie auf ganzer Linie bei der Vermittlung eines Waffenstillstandes?
Der Versuch abzuschalten scheitert so völlig; auch im Urlaub bediene ich ein paar Presseanfragen, zum Beispiel beim NDR, bei Phönix oder beim Deutschlandradio. Und doch plagt das schlechte Gewissen, nichts tun zu können für die bedrohten Menschen im Gazastreifen.
Auch die schrecklichen Szenen von antisemitischen Ausschreitungen in Paris, aber auch in Deutschland schockieren und belasten mich. Wie kann man so dumm sein, so geschichstvergessen, und bei Demonstrationen für ein Ende des Krieges und gegen die Politik der gegenwärtigen radikalen israelischen Regierung jüdische Enrichtungen anzugreifen, jüdische Bürger oder Synagogen? Und dann wieder erregen mich jene, die jedem notwendigen und legitimen Protest gegen die israelische Politik und die Bombardments Antisemitismus unterstellen oder ihn als „antiisraelisch“ diskreditieren wollen.
Ähnliches geschieht, als internationale Fluggesellschaften ihre Flüge nach Tel Aviv absetzen. Und das passiert genau an jenem Tag, als ich mit Lufthansa nach Tel Aviv zurückfliegen möchte. Denn in Yehud, einer kleinen Stadt in der Nähe des Ben Gurion Flughafens, ist eine Rakete eingeschlagen. Auch wenn ich mich selbst nicht unmittelbar gefährdet fühle und am liebsten zurück in die „Heimat“ möchte – schließlich werden 90% aller Raketen vom „Iron Dome“ System abgefangen – man geht doch davon aus und erwartet das auch, dass Fluggesellschaften alle Risiken für ihre Fluggäste ausschließen wollen. Etwas befremdlich waren daher Stimmen in den USA, die politischen Druck zu einer Wiederaufnahme der Flüge machten. Und auch in Deutschland gab es ähnliche Kommentare, sogar aus der Politik – als betroffener Fluggast muss ich doch sagen, dass ich die Risikoanalyse lieber Fachleuten überlasse. Auch manchen Piloten und Crew-Mitgliedern der Lufthansa ging das so. Um nicht zu viel Zeit zu verlieren, buchen wir schließlich um: Nach Amman. Das ist ein Umweg, und auch die Einreise nach Palästina über Jordanien ist manchmal beschwerlich; so endet ein anstrengender Urlaub. Wenn jetzt endlich ein Waffenstillstand hält und der Gazastreifen eine Zukunft bekommt, wird es bald vergessen sein.