Strahlend blauer Himmel, leichter Wind, vollkommende Ruhe in Tel Aviv. Nur das Surren der Klimaanlagen und Stimmen spielender Kinder sind zu hören. Ein ganz normaler Shabbat. – Wirklich?
Einerseits klangen die Berichte über lange Schlangen vor den Gasmasken-Stationen in „Tagesschau“ und „Heute“ in dieser Woche deutlich dramatischer als das normale Leben, das in Tel Aviv und andernorts einfach weitergegangen ist, andererseits spricht das Land in der Tat von nichts anderem als den möglichen Angriffen auf Israel infolge einer internationalen Intervention in Syrien. Die Drohungen aus Syrien und dem Iran, Israel werde daraufhin angegriffen, haben ja auch nicht gefehlt.
Aber so ist es eben in Israel. Man ist es gewohnt. Ob es Krieg gibt, oder nicht, ist sowieso nicht zu ändern. Warum also nicht an den Strand gehen, Eis essen, oder Kaffee trinken? Die Bunker sind ja offen. Wenn die Sirenen gehen, weiß jeder wo er hin muss. Selbst als „Expat“ gewöhnt man sich schnell daran. Nur der erste Raketenalarm während des Beschusses von Tel Aviv aus dem Gaza-Streifen im letzten November war enervierend. Danach wurde sich, wenn die Sirenen gingen, kurz untergestellt, dann weitergearbeitet oder ausgegangen.
Die Nachricht, die UN-Delegation zur Untersuchung des Chemiewaffenangriffs in Syrien vom 21. August, hätten heute Morgen das Land verlassen, lässt die Befürchtungen dennoch steigen, der Zeitpunkt der US-Intervention rücke nun wirklich näher. Was passiert in der kommenden Nacht? In Syrien? In Israel?
Während das Militär und die Sicherheitsdienste davon ausgehen, dass das Risiko einer Vergeltung in Richtung Israel gering ist, wurden im Norden und um Tel Aviv die Raketenabschusssysteme „Iron Dome“ positioniert, eine begrenzte Anzahl von Reservisten eingezogen und das Wochenende für die stationierten Soldaten auf dem Golan gestrichen. Tausende Israelis haben sich mit Gasmasken versorgt.
Die israelische Regierung sieht sich nicht als Partei in diesem Krieg, hat aber angedroht massiv zu reagieren, sollte es zu einem Angriff kommen. Bis vor Kurzem hat sich Israel stets zurückhaltend über die Zukunft Assads geäußert. Schließlich war es unter Assad an der israelisch-syrischen Grenze ruhig geblieben. Mit der zunehmenden Gewalt und spätestens seit dem letzten Giftgas-Angriff vom 21. August scheint sich die Stimmung in Israel jedoch zu ändern. Assad dürfe nicht als Gewinner vom Platz gehen, heißt es unter Sicherheitsexperten.
Doch wer ihm folgt, löst in Israel ebenso Unbehagen aus. Ebenso auch das Lavieren Barack Obamas und die Ablehnung einer Intervention im britischen Unterhaus. Trotz aller Unsicherheit über die Strategie und Konsequenzen eines Angriffs, verstärkt sich in Israel mal wieder der Eindruck, auf die Partner ist im Notfall kein Verlass. Auch der Iran werde genau verfolgen, wie sich die USA und die Europäer gerade verhalten. Dies bedeute für Israel nichts Gutes.
Trotz allem: Es ist eben Shabbat, die Sonne scheint, die Luftfeuchtigkeit der letzten Tage ist etwas abgezogen, also gehen wir an den Strand.