In Marokko dreht sich seit Wochen alles um die Fußball-Weltmeisterschaft. Nicht die in Russland 2018, nein, sondern die in Marokko 2026. Das ist zumindest die große Hoffnung der Marokkanerinnen und Marokkaner. Noch ist es allerdings nicht so weit. Die FIFA wird erst am 13. Juni darüber entscheiden, ob die WM 2026 tatsächlich in Marokko ausgetragen oder von dem Trio USA, Mexiko und Kanada ausgerichtet werden wird.
Von außen betrachtet erscheint dies ein sehr ungleicher Zweikampf zu sein. Dem Außenseiter Marokko werden aber durchaus Chancen eingeräumt. Die WM-Kandidatur beherrscht die Schlagzeilen der marokkanischen Medien – seit Monaten. Die Euphorie im Land ist riesig, jetzt, zu kurz vor der finalen Entscheidung des FIFA-Kongress.
Minutiös analysiert die Presse die taktischen Manöver der Kontrahenten und das voraussichtliche Wahlverhalten der afrikanischen und europäischen Länder. Auf einer interaktiven Weltkarte werden die Präferenzen der einzelnen Mitgliedsländer laufend aktualisiert. Sogar Marokkos Erzfeind Algerien hat angekündigt für den Nachbarn zu stimmen, angesichts der Alternative Trump. Letzterer hat sich mit seinem Tweet zur WM-Vergabe den geballten Unmut der Marokkanerinnen und Marokkaner zugezogen. In gewohnter Trump-Manier drohte er, allen Ländern, die die WM-Kandidatur der USA nicht unterstützten, die Hilfsgelder zu streichen. Damit zielte er natürlich auf die afrikanischen Unterstützer Marokkos ab. Und tatsächlich, wenige Tage später erklärte Südafrika entgegen seiner zuvor verkündeten uneingeschränkten Unterstützung der marokkanischen Kandidatur, nun doch für die USA, Mexiko und Kanada stimmen zu wollen.
Die Aussicht auf eine WM im eigenen Land bewegt die Menschen in Marokko. Das spürt man. Die Resonanz auf Facebook und Twitter ist enorm. Gemeinsam wird die erhoffte Entscheidung für Marokko geradezu herbeibeschworen. Hunderte Unterstützer – ganz normaler Bürgerinnen und Bürger, aber auch Prominente wie Zlatan Ibrahimović und Lionel Messi – haben sich der Online-Kampagne #MAYMKENCH angeschlossen und ein kurzes Video hochgeladen, um der marokkanischen Kandidatur zusätzlichen Atem einzuhauchen. Bekannte Pop-Musiker haben gemeinsam eine Hymne auf die marokkanische Nation komponiert, in der sie die die Qualitäten ihres Heimatlandes besingen. Das 16 minütige Video zeigt ein Meer aus marokkanischen Fahnen, Autobahnen, Windräder, Wüste und natürlich den König. Das war vielen dann doch zu dick aufgetragen. Der folkloristische Patriotismus des Videos wurde in den Medien zerrissen, der Produzent für seinen „Clip der Schande“ scharf kritisiert.
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Das Hoffen auf die WM geht aber weiter. Und ja, es gibt viele gute Gründe, die für Marokko sprechen. WM-Botschafter Lothar Matthäus erläutert diese besonders prägnant: „Die Leute in Marokko lieben den Fußball, sie atmen den Fußball, sie leben Fußball. Und deswegen muss die Weltmeisterschaft in Marokko stattfinden.“ Aus seiner Erfahrung des Länderspiels zwischen Deutschland und Marokko von 1986 bescheinigt Lothar Matthäus den Marokkanern zudem, dass bei ihnen auch in der Niederlage eine hohe Qualität stecke. Marokko braucht die Entscheidung der FIFA am 13. Juni also nicht zu fürchten.